Stimmrechtsberater

Kurzdefinition

Stimmrechtsberater (engl. proxy advisors) vertreten Aktionäre auf den Hauptversammlungen der Gesellschaften und geben Abstimmungsempfehlungen für die Beschlüsse auf Hauptversammlungen. Die Dienstleistungen der Stimmrechtsberater werden insbesondere von institutionellen Investoren in Anspruch genommen. Diesen ist es aus Kostengründen meist nicht möglich, bei allen beteiligten Unternehmen die Umstände für anstehende Beschlüsse zu prüfen. Um die Verpflichtung, mit ihrem Portfolio verantwortungsvoll umzugehen, zu erfüllen, übergeben sie die Aufgaben an Stimmrechtsberater.

Funktionen der Stimmrechtsberater

Stimmrechtsberater, zunächst nur in den USA etabliert, sind in den letzten Jahren auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern immer stärker vertreten. Sie bedienen vor allem den Markt der Institutionellen Anleger und Finanzinvestoren mit breitem Anlageportfolio, die sie bei ihren Abstimmungsentscheidungen beraten beziehungsweise diese für sie stellvertretend übernehmen, sowie Emittenten, welche sie insbesondere hinsichtlich der Aktionärsfreundlichkeit der Tagesordnung der Hauptversammlung beraten. Die Beratung institutioneller Investoren zur Stimmabgabe sowie die stellvertretende Übernahme des Stimmrechts dieser ist die Hauptdienstleistung von Stimmrechtsberatern. Um die Tagesordnung der Hauptversammlung börsennotierter Gesellschaften auf ihre Aktionärsfreundlichkeit zu untersuchen, werden Stimmberater mit unternehmensrelevanten Informationen ausgestattet. Sie geben Abstimmungsempfehlungen anhand von durch die Emittenten genierten Daten sowie Corporate-Governance-Ratings.

Bestimmungen und Regeln für Stimmrechtsberater unter ARUG II

Stimmrechtsberater nehmen maßgeblichen Einfluss auf Emittenten und Aktionäre. Die mangelnde Transparenz ihrer Vorgehensweise führte aufgrund dieser Machtposition aber immer wieder zu Kritik aus Wissenschaft, Presse und Emittenten-Kreisen. Durch die zweite Aktionärsrechterichtlinie soll die Arbeit der Stimmrechtsberater dank Offenlegungs- und Transparenzpflichten durchsichtiger werden.

Kritik an der Rolle der Stimmrechtsberater vor dem Inkrafttreten des ARUG II

Folgende Aspekte der Aktivitäten von Stimmrechtsberatern wurden vor dem Inkrafttreten des ARUG II vermehrt kritisiert:

  • Der Stimmrechtsberatermarkt ist äußerst oligopolistisch geprägt, ein Wettbewerb ist gering bis nicht vorhanden.
  • Obwohl Stimmrechtsberater enormen Einfluss auf die Gesellschaft haben, unterlagen sie nahezu keinem Haftungsrisiko.

  • Da Stimmrechtsberater bisher keinen Transparenzpflichten unterlagen, konnten sie Stimmrechtsempfehlungen ohne Offenlegung zugrundeliegender Daten und Standards aussprechen. Daher wurde beanstandet, dass sie in einem gewissermaßen rechtsfreien Raum agierten. Auch die Verhaltenskodizes des Stimmrechteberater wurden als intransparent kritisiert.
  • Durch ihre Doppelfunktion in der Beratung von Aktionären und Emittenten liefen Stimmrechtsberaterunternehmen zudem Gefahr, in Interessenkonflikte zu verfallen.

  • Des Weiteren halten Eigentümer von Stimmrechtsberaterunternehmen mitunter selbst Anteile an Gesellschaften, die sie beraten – auch dieser Umstand kann zu Interessenkonflikten führen.

Im Jahr 2013 wurde ein Branchenkodex (“Best Principles for Providers of Shareholder Voting Research and Analysis”) veröffentlicht. Der Verhaltenskodex geht teilweise auf die oben genannten Kritikpunkte ein, aber es hat sich in der laufenden Praxis gezeigt, dass der Kritik nicht ausreichend begegnet wird.

Offenlegungs- und Transparenzanforderungen

Das ARUG II verlangt, dass Stimmrechtsberater neue Pflichten zur Offenlegung erfüllen. Neben der Offenlegung von Einzelheiten zu ihren Prozessen, Methoden und Informationsquellen müssen sie auch jährlich über ihre Richtlinien zur Vermeidung von Interessenkonflikten und zur Behebung von regulatorischen Marktlücken Berichte erstellen und zugänglich machen.

Im deutschen Recht werden Offenlegungspflichten für Stimmrechtsberater im Aktiengesetz festgelegt. Aus § 134d AktG gehen diese Verpflichtungen für Stimmrechtsberater hervor:

  • Der verwendete Verhaltenskodex ist offenzulegen. Bei Nichtbefolgung ist nach dem Comply-or-explain-Prinzip zu erklären, warum vom Kodex abgewichen wurde und welche Maßnahmen stattdessen ergriffen wurden.
  • Jährlich zu veröffentlichen sind:

    • Charakteristika der Vorgehensweise und die wichtigsten Informationsquellen
    • Ergriffene Maßnahmen, die die Qualität sichern und Interessenkonflikte vermeiden
    • Qualifikationen der Mitarbeiter des jeweiligen Stimmrechtsberaterunternehmens für ihre Tätigkeit
    • Marktbedingungen und andere Einflüsse und wie bei der Beratung miteinbezogen wurden
    • Merkmale der verfolgten Stimmrechtspolitik
    • Häufigkeit der Interaktion mit beratenen Emittenten und Aktionären

Die genannten Informationen sind für drei Jahre auf der Seite des Stimmrechtsberaterunternehmens publik zu machen und müssen jährlich gebündelt aktualisiert werden. Sollte es zu Interessenkonflikten kommen, sind Stimmrechtsberater verpflichtet, ihre Kunden sofort über diese sowie die ergriffenen Gegenmaßnahmen zu informieren.