ARUG II – Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie

Ab Beginn des Geschäftsjahres 2021 gilt das Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie, das ARUG II. Durch das ARUG II wird die EU-Aktionärsrechtsrichtlinie (AR-RL II) – international als SRD II bezeichnet – in national gültiges Recht umgesetzt.

Die AR-RL II beziehungsweise SRD II umfasst zwei Teile:

  • Die Durchführungsverordnung 2018/1212 der EU-Kommission für technische Datenübertragungsstandards, die im September 2020 in allen EU-Mitgliedsstaaten direkt in Kraft trat

  • Die EU-Richtlinie 2017/828, die von jedem der 27 EU-und 4 EWR Mitgliedsstaaten separat in nationales Recht umgesetzt werden muss

Die Durchführungsverordnung (EU) 2018/1212 der Kommission vom 3. September 2018 (DFVO) legt präzise Vorgaben hinsichtlich der Dateninhalte und -formate, die zwischen den Akteuren ausgetauscht werden sollen, fest. Die Umsetzung dieser Durchführungsverordnung in nationales Recht erfolgt in Deutschland ebenfalls im Rahmen des Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II).

Die EU-Richtlinie 2017/828 legt den Fokus auf neue Anforderungen in Bezug auf die Vergütung von Direktoren, die Erhöhung der Transparenz für Investoren, Vermögensverwalter und Berater sowie Bestimmungen für Geschäfte mit nahestehenden Personen oder Unternehmen:

Related Party Transactions

Seit dem Inkrafttreten von ARUG II werden Related-Party Transactions neu geregelt: Die durch das ARUG II in Kraft getretenen Regelungen bezüglich Related-Party Transactions legen börsennotierten Gesellschaften und deren Aufsichtsräten umfassende Organisations- und Aufsichtspflichten auf.

Mitspracherechte der Aktionäre bei der Vergütung von Aufsichtsrat und Vorstand

Das ARUG II legt ein Abstimmungsrecht von Aktionären auf der Hauptversammlung einer börsennotierten Gesellschaft über die Höhe der Vergütung von Top-Managern fest. Durch dieses Mitwirkungsrecht sollen als exzessiv wahrgenommene Vergütungen in den Vorständen von Publikumsaktionsgesellschaften korrigiert werden. Außerdem soll dadurch das Vertrauen in die Unternehmensführung und Corporate Governance wiederhergestellt werden.

Transparenzpflichten für institutionelle Anleger, Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater

Das ARUG II schreibt neue Offenlegungs- und Transparenzanforderungen für institutionelle Anleger, Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater vor. Institutionelle Anleger und Vermögensverwalter sollen künftig unter anderem Angaben bezüglich ihres Anlageverhaltens und zum Umgang mit Interessenkonflikten offenlegen. Stimmrechtsberater stehen in der Pflicht, jährlich zu erklären, ob und inwiefern sie sich an die Vorgaben des eigenen Verhaltenskodexes gehalten haben.

ARUG II – Gesetzgebungsverfahren und Inkrafttreten

Die AR-RL wurde 2007 eingeführt, um die Aktionärsbeteiligung und Transparenz zu verbessern, insbesondere in Bezug auf die Aktionärsrechtsausübung. Aktualisierungen der AR-RL wurden von der Europäischen Kommission im Jahr 2014 vorgeschlagen und traten am 17. Mai 2017 in Kraft. Die Richtlinie ist für alle Gesellschaften mit Sitz im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), deren Aktien zum Handel aus einem im EWR gelegenen oder dort betriebenen Regulierten Markt zugelassen sind, gültig. Die AR-RL II wird durch das ARUG II in bundesdeutsches Gesetz umgewandelt, der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist am 01. Januar 2020 in Kraft getreten.

Umsetzung des ARUG II

Die EU-Richtlinie 2017/828 wurde von jedem EU-Mitgliedsstaat individuell in national gültiges Gesetz umgesetzt. Die aus dem ARUG II hervorgehenden Bestimmungen sind zum Beginn des Geschäftsjahres 2021 umzusetzen. Die EU-Durchführungsverordnung der EU-Kommission für technische Datenübertragungsstandards trat im September 2020 in allen EU-Ländern in Kraft.

Die Durchführungsverordnung 2018/1212 der EU-Kommission

Die Durchführungsverordnung 2018/1212 der EU-Kommission regelt Aspekte der Übertragung von Daten im Zusammenhang mit der Stimmabgabe, Bestätigung der Stimmabgabe sowie Aktionärsidentifikation und legt spezifische Vorgaben hinsichtlich der Inhalte und Formate von Daten, die Akteure untereinander austauschen, fest.

Informationsverarbeitung nach ISO 20022

Die EU-Durchführungsverordnung 2018/1212 legt genaue Vorgaben bezüglich des Datenaustauschs zwischen Akteuren des Finanzdienstleistungssystems fest. Sicherstellen soll dies ISO 20022, bei der es sich um einen weltweit einheitlichen Nachrichtenstandard für verschiedene Sparten des Finanzdienstleistungssystems handelt. Die Normung basiert auf der XML-Syntax und soll die bis dato verwendeten SWIFT MT-Formate ablösen. ISO 20022 erlaubt Erstellung und Austausch von Finanznachrichten auf einer gemeinsamen Plattform. Mit der Erstellung und Verwaltung einer zentralen Datenbank, die unter anderem Bausteine der Nachrichten, Geschäftsprozessmodelle und SEPA XML-Schemata enthält, wurde die Standardisierungsorganisation SWIFT beauftragt.

Die Umsetzung dieser Durchführungsverordnung in deutsches Recht erfolgt im Rahmen des Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II).

Identifikation und Information von Aktionären

Eine zentrale Zielsetzung des Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie liegt darin, die Kommunikation zwischen börsennotierten Gesellschaften und ihren Aktionären auszubauen, um die Ausübung von Aktionärsrechten zu erleichtern. In diesem Kontext sind Intermediäre dazu verpflichtet, Daten, die hinsichtlich der Identität der Aktionäre relevant sind, an die Gesellschaften weiterzuleiten. Die Maxime der Neuerung lautet: „Know your Shareholder“. Die Vorgaben zur Aktionärsidentifikation sind seit dem 03. September 2020 gültig. Erstmals gültig waren die Bestimmungen für Hauptversammlungen, die nach dem 03. September 2020 einberufen wurden. Auflagen bezüglich der Aktionärsidentifikation sind bindend.

Regelungen von Related-Party Transactions gemäß ARUG II

Der Ausdruck „Related-Party Transactions“ beschreibt Transaktionen zwischen börsennotierten Unternehmen und nahestehenden Personen oder Unternehmen. Unternehmen beziehungsweise Personen gelten nach ISA (International Standard on Auditing) als verbunden, wenn sie maßgeblichen Einfluss („control“) auf das Unternehmen ausüben können. Für Related-Party Transactions gelten gemäß ARUG II in Deutschland folgende Spezifikationen:

  • 111a AktG: Börsennotierte Unternehmen sind verpflichtet, ein internes Verfahren zur Identifikation und Evaluation von Related-Party Transactions einzurichten. Überschreitet das Volumen der Transaktionen mit der gleichen nahestehenden Person die Wesentlichkeitsschwelle von 1,5 % der Summe aus Anlage- und Umlaufvermögen des letzten Jahresabschlusses, ist eine Zustimmung durch den Aufsichtsrat oder eine spezifisch für diesen Zweck eingesetzte Kontrollinstanz einzuholen.
  • 111b AktG: Wird der Schwellenwert von Geschäften mit nahestehenden Personen, die nicht unter einen Ausnahmetatbestand fallen, überschritten, ist die Zustimmung des Aufsichtsrats verpflichtend.
  • 111c AktG: Angaben zu Art und Umfang von zustimmungspflichtigen Geschäften mit nahestehenden Personen sind unverzüglich durch die börsennotierte Gesellschaft unter Beachtung der Sondervorschriften für Insiderinformationen zu veröffentlichen.

Mitspracherechte der Aktionäre bei der Vergütung von Aufsichtsrat und Vorstand gemäß ARUG II

Das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie soll die Aktionärsmitwirkungsrechte in Publikumsgesellschaften stärken. Regelungen zum Mitspracherecht bei der Vergütung der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats werden in § 120 AktG festgelegt. Das Abstimmungsrecht von Aktionären auf der Hauptversammlung einer börsennotierten Gesellschaft über die Höhe der Vergütung von Top-Managern wird auch als „say-on-pay“ bezeichnet.

Im Detail gelten gemäß § 120 AktG in Deutschland diese Regelungen:

  • Die Hauptversammlung einer börsennotierten Gesellschaft beschließt über das Vergütungssystem der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats.
  • Über die Entlastungen von Einzelpersonen kann gesondert abgestimmt werden, wenn die Hauptversammlung oder eine Minderheit, die mindestens zehn Prozent des Grundkapitals oder eine Million Euro Kapital trägt, dies verlangt.
  • Diese Vergütungsverhandlung muss mit der Verhandlung über die Verwendung des Bilanzgewinns verbunden werden.
  • Es muss jährlich innerhalb der ersten acht Monate des Kalenderjahres abgestimmt werden.

Transparenzpflichten für institutionelle Anleger, Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater gemäß ARUG II

Für institutionelle Anleger, Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater sind durch das ARUG II neue Transparenzpflichten entstanden. So haben sie offenzulegen, inwiefern sie in Portfoliogesellschaften beteiligt sind (§ 134b Abs. 1 AktG). In einem jährlichen Report müssen die relevantesten Abstimmungen sowie die Abstimmungsentscheidungen von institutionellen Anlegern und Vermögensverwaltern während dieser sowie deren Einsatz von Stimmrechtsberatern dargestellt werden. Eine Ausnahme besteht, wenn die Abstimmung nach § 134b Abs. 3 als unbedeutend einzuordnen ist.

Außerdem ist ein Bericht über die Mitwirkungspolitik, in dem beschrieben wird, wie die Aktionärsmitwirkung in die Anlagestrategie integriert wird, durch die von § 134a Abs.1 Satz 1 Nr. 1-2 in die Pflicht gezogenen Gesellschaften zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung erfolgt nach dem comply-or-explain Grundsatz. Dieser Bericht muss mindestens drei Jahre auf der Webseite der jeweiligen Unternehmen zugänglich sein und einmal jährlich aktualisiert werden.

Stimmrechtsberater sind in der Pflicht, jährlich zu erklären, welchem Verhaltenskodex sie in ihren Aktivitäten inwiefern entsprochen haben.

Zusätzlich zu den Transparenzpflichten aus § 134b bestehen für Vermögensverwalter und institutionelle Anleger Offenlegungspflichten (§ 134c AktG). Gemäß § 134c AktG müssen institutionelle Anleger offenlegen:

  • inwiefern die Kernaspekte ihrer Anlagestrategie mit Profil und Laufzeit ihrer Verbindlichkeit übereinstimmen, und
  • inwiefern ihre Anlagestrategie zur mittel- bis langfristigen Entwicklung ihrer Vermögenswerte beitragen.

Vermögensverwalter müssen institutionelle Anleger, für die sie handeln, darüber informieren, inwiefern ihre Anlagestrategie mit den eigenen Vorgaben übereinstimmt. Des Weiteren müssen sie einen Bericht, der erläutert, wie sie zur mittel- und langfristigen Vermögenswertentwicklung beitragen, auf ihrer Webseite veröffentlichen oder an den institutionellen Anleger adressieren. Die Offenlegungsauflagen in § 134c AktG sind verpflichtend, das comply-or-explain Prinzip hat für diese keine Gültigkeit.